Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Alkoholabhängige brauchen Verständnis und Führung

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 20. Januar 2016

Bitte erlauben Sie mir eine persönliche Reminiszenz, von der her ich alsbald zum allgemeinen Thema des richtigen Umgangs mit Alkoholabhängigen komme:

Nach der Herstellung der Deutschen Einheit, die für mich aus rechtlicher Sicht viele Jahre lang ein zentrales Thema war (s. Rolf Ehlers, Verträge Bundesrepublik Deutschland-DDR, de Gruyter Verlag, Berlin, 1973), wurden in den Neuen Bundesländern dringend Notare gebraucht, um das vom Sozialismus bewusst vernachlässigte Grundstückswesen aufzuarbeiten. Mir schien es angemessen, mich dort persönlich einzubringen, weil die Familie meiner Frau zu DDR-Zeiten aus Thüringen geflohen war, während ein Teil im Osten blieb.

Als ich mich entschloss, meine Anwalts- und Notarkanzlei im Westen für ein Notaramt im sächsichen Oberen Erzgebirge aufzugeben,  folgte mir ein mir zum Freund gewordener Mandant dorthin, ein erfahrener promovierter NeurologeEr eröffnete in einem von mir modernisierten großen Komplex, in dem auch mein Notariat unterkam, eine psychiatrische Praxis. Von Beginn an planten wir  die Errichtung einer Alkoholentwöhnungsklinik. Er selbst hatte im Westen Erfahrung gesammelt in der Leitung großer entsprechender Einrichtungen. Er war als trockener Alkoholiker zugleich persönlich betroffen. Ich konnte mich in die Probleme gut hineinversetzen, weil ich regelmäßig aber kontrolliert enorm viel Bier oder Wein trank ohne mir damals einzugestehen, dass ich damit bereits Missbrauch trieb. Um für ihn ein gutes Beispiel (Mentor) zu sein, gab ich aber jeden Alkoholkonsum auf, während das Projekt Fahrt aufnahm. Als ich mich eifrig in die reiche einschlägige Literatur einlas, stellte ich allerdings fest, dass er sich in der Theorie nur wenig auskannte.

Ferienhaus des VEB „Grubenlampe“, Cranzahl

Dieses Projekt scheiterte, weil mich mein guter Freund beim ersten größeren Problem mit dem Projekt allein ließ. Das benötigte Objekt, ein ehemaliges Ferienheim, war bereits gekauft und die Planungen waren abgeschlosssen. Er verkaufte alles was er hatte, kehrte in den Westen zurück und gab sich ganz dem Alkohol hin. Allein konnte ich nicht weitermachen. Der Schaden blieb an mir hängen. Voller blindem Verständnis für den armen Kerl habe ich ihn nicht einmal verklagt!

Mir wurde später bewusst, dass ich meinen alkoholabhängigen Freund auch niemals ernsthaft zu einem besseren Verhalten zu verleiten versucht habe. Ich habe ihn immer nur als gleichberechtigten Partner gesehen, dem ich keine Vorschriften machen wollte und habe auch die mögliche Führungsrolle im gemeinsamen Projekt nicht ergriffen. Das war falsch.

Schon in einem meiner ersten Beiträge auf dieser Plattform habe ich sehr ausfühlich darüber geschrieben, welches die richtigen Schritte zur Behebung jeglicher Sucht, auch der Alkoholsucht sind:

http://www.essenspausen.com/sucht-schwere-bedrohung-fuer-jeden/.

Ich habe da auch kurz erwähnt, dass die Menschen im Umfeld eines Betroffenen dringend darauf achten müssen, im Umgang mit ihm unversehens zum Helfer des Süchtigen zu werden. Im Falle der Alkoholsucht darf man sich nicht zum sog. Coalkoholiker entwickeln, der zwar nicht trinkt, aber dem Süchtigen dabei hilft, dass er mit seinen Exzessen nicht bei Dritten unangenehm auffällt.

Wie der Fall meines ehemaligen Freundes zeigt, wird man auch zum Coalkoholker, wenn man den Kranken wie einen Gesunden behandelt. Wenn der innere Druck auf den Suchtkranken zu stark wird, heißt das nicht, dass er gleich wieder mit dem Trinken anfängt. Das Verlangen nach dem Rausch arbeitet in ihm mit großer Kraft gerade unterschwellig und lässt ihn verquere Dinge tun, an die ein Gesunder kaum jemals denken würde. Gerade mein Freund, der Neurologe, berichtete mir aus der Praxis, dass ein alkoholkranker junger Mann aus München damals hinterrücks seine Eltern erschlug, damit sie ihn nicht  daran hindern konnten, Alkohol zu kaufen und sich weider berauschen zu können.

Mit Nachgiebigkeit und Verständnis allein sollte man Suchtproblemen nicht begegnen. Wenn man als Dritter wirklich helfen will, muss man sich praktisch rund um die Uhr um den Betroffenen kümmern und für ihn die Führung übernehmen. Ist man nicht bereit, das zu leisten, soll man es ganz lassen.

Ganz generell ist es nachlässsig, gegenüber erkannten psychischen oder mentalen Defiziten der MItmenschen die Augen zu verschließen und darauf zu bauen, dass schon alles gut gehen werde. An Murphys Gesetz ist so viel dran, dass unberücksichtigt der Tatsache, dass immer auch andere nicht kalkulierbare Umstände die Zukunft mitbestimmen, sehr oft gerade das schiefgeht, was als Schwachpunkt erkennbar war.  Es gibt Ähnlichkeiten mit der berühmten „Sollbruchstelle“, dem von den Herstellern fast aller Geräte gezielt eingebauten Schwachstellen, die sicher stellen, dass das Geräte nicht zu lange hält und durch Nachkauf ersetzt werden müssen.